Document 9914vdqDnEO1kbB8bLbBQ6Gk6
154
PTFE Recycling
[FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK]
Auf die Korngre kommt es an
Wie sich PTFE erfolgreich recyceln lsst
PTFE gilt als schwer zu recyceln. Fr die speziellen Verarbeitungsverfahren des Polymers mssen die Rezyklate in aufwendigen Prozessen zerkleinert werden, damit sie annhernd die gleiche Korngre besitzen wie Neuware. Werden diese Besonderheiten bercksichtigt, erreichen Rezyklate jedoch die Qualitt von Neuware oder bertreffen diese sogar.
Ob in der Dichtungstechnik, der Elektrotechnik oder im Chemieanlagenbau - Polytetrafluorethylen (PTFE) ist aus vielen Industriebereichen nicht mehr wegzudenken. Fr das Polymer sprechen seine hohe Temperatur- und Witterungsbestndigkeit, die sehr gute Chemikalienbestndigkeit sowie sein geringer Reibungskoeffizient. Diese Eigenschaftskombination prdestiniert das Material fr Einsatzgebiete, in denen bei hohen Temperaturen ein reibungsarmer Werkstoff bentigt wird.
Zu den weniger positiven Eigenschaften von reinem PTFE gehren ein geringer E-Modul, ein hoher Kaltfluss sowie eine hohe Verschleirate. Diese Eigenschaften sind auf die geringen intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Polymerketten zurckzufhren. Daher wird PTFE bei vielen Anwendungen ein mageschneiderter Fllstoffmix beigemischt. Diese Fllstoffe verbessern die mechanischen Eigenschaften erheblich. Auerdem werden Trockenschmierstoffe zugesetzt, welche die fllstoffbedingte Erhhung des Reibungskoeffizienten kompensieren.
Das Unternehmen Stasskol bietet Hochleistungskunststoffe fr verschiede-
ne Anwendungsbereiche an. Dazu zhlen etwa mageschneiderte Dichtwerkstoffe auf Basis von PTFE zum Einsatz in Kolbenkompressoren. Bei diesen Werkstoffen ist die Eigenschaftsoptimierung besonders wichtig, da die Materialien hoher thermischer Belastung sowie groer dynamischer Druckbelastung ausgesetzt sind. Sie mssen deshalb sowohl ber sehr gute mechanische Eigenschaften als auch ber eine hohe Verschleifestigkeit verfgen. Stasskol produziert Dichtmaterialien fr verschiedene Prozessgase, die allesamt individuelle Fllstoffkombinationen besitzen.
Kleine Korngren sind gefragt
Die Herausforderung des Recyclings solcher Mischungen besteht in der speziellen Verarbeitung von PTFE. Dafr wird in der Regel das Press-Sinter-Verfahren verwendet, das als Cold Compression Molding (CCM) oder als Hot Compression Molding (HCM) ausgefhrt werden kann (Bild 1). Beim CCM wird der gepresste Grnling drucklos im Ofen gesintert, whrend das Material beim HCM simultan mit Druck und Temperatur beaufschlagt wird.
Normalerweise kann beim Recycling von thermoplastischen Kunststoffen das gemahlene Material einfach der Rohware zugesetzt werden. Das ist bei PTFE jedoch durch die besondere Verarbeitung nicht mglich. Das Press-Sinter-Verfahren von PTFE erfordert es, den Werkstoff bzw. die Mischung wieder nahezu auf die ursprngliche Korngre von etwa 20 bis 40 m zu zerkleinern. Bei von Stasskol durchgefhrten Versuchen wurden dafr die Spne zweier Werkstoffe sortenrein gesammelt. Diese stammen von Materialien, die bei trocken laufenden Kolbenkompressoren in Form von Kolben- und Fhrungsringen sowie als Packungsringe zum Einsatz kommen. Es handelte sich um die Materialien SK202, ein CCM-PTFE mit Glasfasern, Kohle und Grafit, und SK801, ein HCM-PTFE mit Carbonfasern und einem thermoplastischen Fllstoff.
Bei den gewhlten Materialien war es wichtig, dass beide PTFE-Verarbeitungsverfahren reprsentiert wurden, da die Herausforderung an das Recycling beim Kaltpressen grer ist als beim Heipressen. Durch die Komprimierung in der Klte spielt die Gre der pulverfrmigen Partikel eine besonders dominante Rolle.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Thermoplasten knnen bei PTFE nicht einfach Flakes der Neuware zugemischt werden (v. l. n. r. Original-Pulvermischung, Spne, zerkleinerte Spne, Mahlgut) Stasskol
Carl Hanser Verlag, Mnchen Kunststoffe 10/2021 Carl Hanser Verlag, Mnchen. Vervielfltigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.
Recycling PTFE 155
Es wurden auerdem explizit Materialien mit einem signifikanten Anteil an Carbonund Glasfasern gewhlt. Die Gefahr beim Recycling von faserverstrkten Kunststoffen besteht in einer Verkrzung der Faserlngenverhltnisse, die sich auf die Zieleigenschaften der Werkstoffe auswirken knnen. Diese Auswirkungen konnten somit beim Test des Recyclingprozesses mitbercksichtigt werden.
Um ein Recycling der Werkstoffe zu ermglichen und die Auswirkung von recyceltem Material auf die Zieleigenschaften zu untersuchen, wurden folgende sechs Schritte unternommen:
W Sortenreines Sammeln von Spnen
und Reststcken des entsprechenden Werkstoffs
W Grobes Zerkleinern der gesammelten
PTFE-Abflle mittels einer handelsblichen Schneidmhle
W Feines Mahlen der zerkleinerten Parti-
kel mittels einer speziellen Prallsichtermhle
W Einmischen des gemahlenen Materials
in unterschiedlichen Anteilen in die Neuware mittels eines Pulvermischers
W Herstellen von Halbzeugen unter
Standard-Verarbeitungsbedingungen
W berprfung der Eigenschaften der
Materialien mittels Hrte- und Dichtemessung, Zugversuchen und tribologischer Charakterisierung Das sortenreine Sammeln der Abflle und das grobe Zerkleinern mittels einer handelsblichen Schneidmhle stellten keine technologischen Hrden dar. Das technische Know-how steckt im Mahlprozess der zerkleinerten Spne, da dabei sehr feine Korngren im Bereich um die 50 m erreicht werden mssen. Dafr wurde eine Prallsichtermhle des Typ ICM 15 von Neuman & Esser Process Solutions verwendet (Bild 2).
Druck
Grnling
Druck
Pulver
Pulver
PTFE
Pressverfahren
vorgeheiztes Werkzeug
Cold Compression Molding (CCM) druckloses Sintern im Ofen
geringere Dichte geringere Festigkeit einfacher Prozess
Temperatur oberhalb Glasbergangstemperatur
Hot Compression Molding (HCM) Sintern unter Druck
hhere Dichte hhere Festigkeit komplexer Prozess
Bild 1. PTFE lsst sich im Cold- und im Hot-Compression-Molding-Verfahren verarbeiten
Quelle: Stasskol; Grafik: Hanser
Anspruchsvoller Mahlprozess
Das Mahlgut wird durch einen konstanten Luftstrom in den Mahlraum eingetragen. Die Vermahlung erfolgt sowohl durch den direkten Aufprall der Partikel auf die Mahlwerkzeuge der Mahlscheibe, als auch durch den Aufprall auf das Prallfutter. Durch den konstant anliegenden Splluftstrom wird das gemahlene Material aus dem Mahlraum ausgetragen. Dieser Materialaustrag wird durch ein sich schnell drehendes Sichterrad blockiert. Das Sichter-
rad knnen nur Partikel passieren, die
Kunststoffe 10/2021 www.kunststoffe.de Carl Hanser Verlag, Mnchen. Vervielfltigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.
156 PTFE Recycling
Splluft Sichterrad Mahlgut + Luft
Antrieb
Antrieb
Feingut + Luft Leitrad Prallfutter
Luft
Mahlstein Mahlscheibe
Bild 2. Aufbau der Prallsichtermhle zum feinen Vermahlen von PTFE-Abfllen: Dieser Zerkleinerungsschritt ist notwendig, um die fr das Recycling notwendigen geringen Korngren zu erreichen Quelle: Neuman & Esser Process Solutions; Grafik: Hanser
Bei den durchgefhrten Versuchen wurde bei konstant 128 m/s Umlaufgeschwindigkeit des Prallfutters und einer konstanten Umlaufgeschwindigkeit des Sichterrades von 10 m/s der Massestrom variiert, um den Einfluss auf die Korngre zu ermitteln. Die Korngre (D50-Wert) des gemahlenen Gutes wurde nach dem Prozess mittels eines Laserbeugungsspektrometers (Typ: Mastersizer 2000, Hersteller: Malvern) bestimmt. Fr das Material SK202 ergab sich bei einem Durchsatz von 6,9 kg/h eine Korngre von 47,7 m und bei einem Durchsatz von 2,5 kg/h eine Korngre von 44,6 m. Bei dem Werkstoff SK801 lag die Korngre bei 56,7 m bei einem Durchsatz von 9,7 kg/h und bei 47,5 m bei 2,7 kg/h Durchsatz.
Wie die Ergebnisse zeigen, fhrte die Reduktion des Massestroms bei beiden Materialien nur zu einer geringen Verminderung der Korngre. Es konnten bei allen Mahlversuchen Korngren im Bereich von ca. 50 m erzielt werden. Zu Gunsten der Wirtschaftlichkeit wurde fr die weiteren Versuche das Mahlgut bei hohem Durchsatz gewhlt. Das gemahlene Rezyklat wurde dafr in unterschiedlichen Konzentrationen mittels Pulvermischer in die Neuware eingebracht.
Bild 3. Oszillierendes Tribometer zur
Charakterisierung der Verschleifestigkeit von Werkstoffen: In dem Eigenbau von Stasskol knnen vier Proben gleichzeitig unter verschiedenen Prozessgasen ber-
prft werden
Stasskol
klein genug sind, um bei hoher Geschwindigkeit einen Weg durch einen Spalt des Sichterrades zu finden. Durch die Variation der Parameter Mahlgeschwindigkeit (m/sec), Massestrom (kg/h) sowie Geschwindigkeit des Sichterrades (m/sec) kann der Pro-
zess derart reguliert werden, dass die gewnschte Korngre erreicht wird. Der Fllgrad der Mahlkammer besitzt ebenfalls einen groen Einfluss auf das Ergebnis. Dieser wird durch die bereits erwhnten Faktoren beeinflusst.
Messung der mechanischen und tribologischen Eigenschaften
Die so erhaltenen Mischungen wurden unter blichen Verarbeitungsbedingungen (CCM bei SK202 und HCM bei SK801) zu Test-Halbzeugen, Vollstbe im Durchmesser von 50 mm, verarbeitet. Aus diesen Halbzeugen wurden sowohl Zugproben als auch Prfpins mit einem Durchmesser von 8 mm zur mechanischen sowie tribologischen Charakterisierung gefertigt. Ferner wurden die Hrten (Shore D) und die Dichten der Proben bestimmt. Die mechanische Charakterisierung erfolgte mit einer Zugmaschine Z005 der Firma Zwick in Form von Mikrozugstben des Typs ,,SPIStandard FD-105". Die Hrteprfung wurde mit einem Handmessgert der Firma BAQ durchgefhrt, die Bestimmung der Dichte fand gravimetrisch statt.
Die Ermittlung der Verschleifestigkeit erfolgte mittels eines oszillierenden Tribometers (Bild 3); einem Eigenbau von Stasskol. In diesem knnen vier Proben simultan unter verschiedenen Prozessgasen auf unterschiedlichen Gegenlauffl-
Carl Hanser Verlag, Mnchen Kunststoffe 10/2021 Carl Hanser Verlag, Mnchen. Vervielfltigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.
Recycling PTFE 157
Proben-Nummer
Al
A2
A3
A4
Details der Proben
Material
5K202
5K202
5K202
SK202
Rezyklatanteil [Gew.-%] 0
100
10
20
Allgemeine Eigenschaften
Dichte [g/cm3] Hrte [Shore D]
-Modul [MPa]
2,13
1,63
2,14
2,13
66,9
44,9
69
68,2
000
9991 1
Mec anisc e Eigensc a ten Zugfestigkeit [MPa]
22,2
21,6
mlneLnung [%] A BIJILMM
I--
200
Gasart
Stickstoff
Stickstoff Stickstoff
Tribologische Eigenschaften k-Faktor [10-7 mm3/Nm] 4,09
3,47
3,21
Reibungskoeffizient
0,18
0,17
0,17
Tabelle. Eigenschaften von SK202 und SK801 in Abhngigkeit des Rezyklatanteils Quelle: Stasskol
A5 5K202 30 2,13 66,6
Stickstoff 3,99 0,17
A6 SK202 40 2,12 65,5
Stickstoff 3,43 0,15
B1 SK801 0 1,91 70,1
B2 SK801 100 1,93 69,4
Wasserstoff Wasserstoff
2,44
1,69
0,11
0,04
chen hinsichtlich Reibung und Verschlei quantifiziert werden. Die Charakterisierung fand unter oszillierender Bewegung bei einer Anpressung von 20 bar, einer Temperatur von 120 C und einer mittleren Geschwindigkeit von 2,7 m/sec statt. Als Gasart wurde das jeweilige Prozessgas gewhlt, bei welchem der entsprechende Dichtwerkstoff eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um Stickstoff bei SK202 und Wasserstoff bei SK801.
Groe Partikel verringern Dichte und Hrte
Auffllig bei den Ergebnissen der Untersuchungen ist, dass beim kalt verarbeiteten SK202 das Halbzeug aus 100 % Rezyklat (Probe A2) deutlich reduzierte mechanische Eigenschaften sowie eine geringere Dichte und Hrte im Vergleich zur Neuware (Probe Al) aufweist (Tabelle). Der Grund dafr besteht in der erhhten Partikelgre des Rezyklats von ca. 48 m. Das PTFE sowie die Fllstoffe der Neuware, ausgenommen die Glasfasern, besitzen eine mittlere Partikelgre von etwa 25-30 m. Daher kann beim Kaltpressen des Rezyklats zur Herstellung des Grnlings das Pulver weniger dicht komprimiert werden. Die im Grnling enthaltene Luft bleibt im nachfolgenden Sinterprozess im Material, da dieser drucklos verluft.
Wie hoch ist der maximale Rezyklatanteil?
Um den maximal mglichen Anteil an Rezyklat in SK202 zu ermitteln, wurden Mischungen mit 10, 20, 30 und 40 Gew.-% an wiedergewonnenem Material erstellt (Proben A3 bis A6) und zu Test-Halbzeugen verarbeitet. Dabei zeigt sich, dass bei
10, 20 und 30 Gew.-% Rezyklat die Eigenschaften der reinen Neuware sogar bertroffen werden. Sowohl der E-Modul, als auch die Bruchdehnung liegen ber den Werten der Neuware und der geringe k-Faktor sowie der geringere Reibungskoeffizient zeigen, dass sich die Verschleieigenschaften durch das Einbringen des Rezyklats ebenfalls verbessert haben. Bei einem Anteil von 40 Gew.-% bleiben die Verschleieigenschaften auf einem sehr hohen Niveau, allerdings beginnen sich wie erwhnt die Dichte sowie die mechanischen Eigenschaften zu verschlechtern.
Bei dem im Heipressen hergestellten SK801 ist nur eine geringe Abnahme der Hrte, des E-Moduls und der Zugfestigkeit bei 100 % Rezyklatanteil (Probe B2) im Vergleich zur Neuware (Probe B1) festzustellen. Insbesondere die Verschleieigenschaften unter Wasserstoffatmosphre profitieren vom Prozess des Recyclings. Der Verschleifaktor wird dadurch reduziert und der Reibungskoeffizient mehr als halbiert. Deshalb waren weitere Versuche mit abgestuften Konzentrationen an Rezyklat nicht notwendig.
Fazit
Die Untersuchungen zeigen, dass PTFE durch einen effizienten Mahlprozess sortenrein wiederverwendet werden kann. Teilweise lassen sich dadurch sogar die Eigenschaften gegenber reiner Neuware steigern. Bei Materialien, die durch Kaltpressen mit anschlieendem drucklosen Sintern verarbeitet werden, liegt die Grenze des Beimischens von Rezyklat bei etwa 20 bis 30 Gew.-%. Das liegt am drucklosen Sinterprozess, bei dem whrend der Grnlingsherstellung einge-
schlossene Luft whrend des Sinterns im Material verbleibt.
Bei heigepressten PTFE-Werkstoffen verhlt sich das anders. Bei diesen kann trotz erhhter Partikelgre aus reinem Rezyklat ein Halbzeug gewonnen werden, dessen Eigenschaften mit denen von Neuware konkurrieren knnen. Der Grund dafr besteht ebenfalls im Verarbeitungsprozess, bei dem das Material mit Druck beaufschlagt wird, whrend es sich oberhalb der Glasbergangstemperatur im thermoelastischen Zustand befindet. Dadurch kann im Grnling eingeschlossene Luft entweichen, was fr ein deutlich dichteres Materialgefge im Vergleich zu kaltgepressten Materialien sorgt.
Die Resultate zeigen, dass Abflle von hochgefllten Dichtwerkstoffen auf Basis von PTFE recycelt und damit wieder in den Produktionsprozess zurckgefhrt werden knnen. Das ist nicht nur im Hinblick auf einen verstrkten Umweltschutz interessant, sondern kann auch einen finanziellen Vorteil fr verarbeitende Unternehmen bieten. Zustzlich werden Eigenschaften wie die Verschleifestigkeit positiv vom Einsatz des wiedergewonnenen Materials beeinflusst.
Der Autor
Dr. Marc Langela ist Leiter Material- und Produktentwicklung bei Stasskol;
stasskoLde
Service
Digitalversion u Ein PDF des Artikels finden Sie unter
www.kunststoffe.de/onlinearchiv
Kunststoffe 10/2021 www.kunststoffe.de Carl Hanser Verlag, Mnchen. Vervielfltigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.